Jesus begegnet Kranken

Notdienst-Klingel

(Bild: Peter Weidemann; www.pfarrbriefservice.de)

Auf meine Krankheit schauen zu müssen, macht mich wahnsinnig. Die weiße Wand vor mir macht mich wahnsinnig“, so ein Patient in seinem Hospitalbett.

Liebe Leser/-innen,

Krankheit führt den Menschen in eine andere Daseinsform, die ihn zur tieferen Selbsterkenntnis und Selbstfindung herausfordert. Kann der so herausgeforderte Mensch seinen inneren Frieden erlangen, zu sich selber finden, seine Krankheit bewältigen?

In den Evangelien begegnet Jesus den Kranken und auf Heilung
hoffenden Menschen. In den biblischen Erzählungen können wir von Krankheiten ausgehen, die den
Menschen in seinem Innersten vernichten. Ein Aussätziger ist für die Gesellschaft, die sein Leben war, einfach zum Toten geworden, indem sie ihn davon ausgeschlossen hat, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Aussatz machte den Menschen zu einem Aussätzigen. Selbstzweifel und Hoffnungslosigkeit könnten nun beim Ausgestoßenen die logische Folge sein. In scheinbar auswegloser Situation findet ein Ausgegrenzter, der wohl möglich nur noch die weiße Wand, die ihn an sein Krankenlager gefesselt
anstarrt, die Kraft, Jesus anzusprechen.

Das in Jesus gesetzte Vertrauen wird in den Berichten der Evangelisten nicht enttäuscht und führt den Betroffenen ins gesellschaftliche Leben zurück. Jesus streckt dem seine rettende Hand entgegen, den zu berühren als todbringend galt. Kann es ein machtvolleres Zeichen des Lebens geben?

Jesus geht ganz selbstverständlich und natürlich auf den hilfsbedürftigen Menschen unter Achtung seiner persönlichen Würde zu und verhilft ihm so, wieder gesellschaftlich anerkannt zu werden. Dem so Geholfenen wird sein
Leben, das sich in gelebten Beziehungen als lebendig
erfährt, wieder zurückgegeben. An keine Bedingung wird diese Gabe erfahrener Gesundung, die ins Leben zurückführt, gebunden. In Freiheit will sie angenommen werden und ganz natürlich mag daraus ein ganz persönlicher Dank erwachsen, der von ganzem Herzen kommt. „Mit neuen Augen“, darf auf das eigene Leben nun geschaut werden. Der innerlich geheilte Mensch wird befähigt auch dann, wenn eine medizinische Heilung nach menschlichem
Ermessen als unmöglich gilt, seelisch aufatmen können. Vielleicht können wir gemeinsam darum beten, dass uns Jesus in die Kunst mit neuen Augen zu sehen einführt. Indem auf mich, als Kranker, als Ausgestoßener oder Ausgegrenzter geschaut wird, kann ich auch mich selbst wieder anschauen, meine Situation als persönlich geliebter und geachteter Mensch meistern. Quasi in göttliches
Sehen eingeführt, und davon bin ich fest überzeugt, werde ich fähig, zu Frieden und Gesundheit in der Welt beizutragen.

 

Markus Röttger