Nachdenkliches in der Fastenzeit

Nachdenkliches in der Fastenzeit
Fastenzeit

Bildnachweis: www.pfarrbriefservice.de

„Auskunft“ stand auf der Tür, durch die der neu Angekommene eintrat. „Sagen Sie mir: Welche Art von Menschen habe ich in dieser Stadt zu erwarten?“ Niemand wunderte sich über seine Frage. Statt einer Antwort aber stellte man ihm zunächst eine Gegenfrage: „Welche Art von Menschen haben Sie bei ihrer Abreise zurückgelassen?“

Diese Einschätzung konnte er allerdings rasch geben: „Unfreundlich war man dort, geradezu abweisend, ein unangenehmes Volk. Niemals habe ich mich dort wohlgefühlt.“ Umgehend erteilte man ihm daraufhin die erbetene Auskunft: „Sie müssen sich leider darauf gefasst machen, die Menschen hier kaum anders zu finden.“  Niedergeschlagen setzte der Reisende sich auf eine Bank. Er sah bald einen weiteren Ratsuchenden eintreten, der nach der gleichen Auskunft verlangte. Den Bescheid, den dieser erhielt, konnte er mithören: „Die Menschen in dieser Stadt sind zugänglich und liebenswürdig. Sie werden sich hier willkommen fühlen!“ Empört sprang er auf. „Wie kommen sie dazu, mir eine so negative Antwort zu geben, während Sie diesen Mann hier so zuversichtlich stimmen?“ beschwerte er sich. „Das ist keineswegs verwunderlich“, antwortete man ihm. „Dieser Ankömmling hier ließ Menschen zurück, die er zugänglich und liebenswürdig fand. Es ist so: Jeder von Ihnen beiden wird vor allem dem begegnen, was er zu finden erwartet.“ (Quelle unbekannt)

Mit diesem Text wurde ich neulich zu einer Bildungsveranstaltung eingeladen. Zu Beginn der Fastenzeit, in der wir die Reise in uns selbst antreten, um zu gucken, wie sieht es in unserem Innern aus, in unserer Beziehung zu Gott und zu unseren Mitmenschen, kam er mir wieder in den Sinn. Er ruft die Erkenntnis in mir wach, dass ich mich und meine Erfahrungen überall hin mitnehme, wohin ich gehe.

Die Unfreundlichkeit und abweisende Haltung derer, denen ich begegne, genauso wie ihre Aufgeschlossenheit und Liebenswürdigkeit, spiegeln mir wieder, wie ich sie sehe und was ich von ihnen erwarte – wie ich auf sie gestimmt bin und was ich in ihnen auslöse. So sind die Menschen, auf die ich treffe, eine Art Spiegel, eine Art Resonanzraum, der mir zurückgibt, was sich in meinem Innern abspielt. Sie helfen mir herauszufinden, wer bzw. wie ich bin.

 

Einen nachdenklichen Gang durch die Fastenzeit
wünscht Ihnen Pastor Thomas Nal