Schön wär’s ja

Das Gebet fordert uns als modernen Menschen heraus.

Denn wir haben vor allem eines verlernt:
das Vertrauen

Auf unserer Internetseite www.pv-corvey.de laden wir zu verschiedenen Anlässen zum Gebet ein. In den Gottesdiensten unserer Gemeinden beten wir. Beten heißt für mich: Sprechen mit Gott! Vielleicht werden Sie, lieber Leser, jetzt sagen: Schön wär’s ja, wenn das so stimmen würde! Aber meine Erfahrungen sind anders. Meine Gebete, auch wenn sie noch so dringend waren, wurden nicht erhört. Meine Bitte um Genesung eines guten Freundes. Mein Flehen um einen Ausweg aus der Depression. Mein Flehen um Versöhnung mit der Tochter. Das Gegenteil ist eingetreten: Der Freund ist nach hartem Kampf gestorben. Die Depression hat sich verschlimmert. Die Tochter ist im Zorn gegangen. Was heißt da noch vertrauensvolles Gebet?! Und ist nicht Jesus selber mit seinen Gebeten gescheitert?

>>Mein Gott, warum hast du mich verlassen? <<, ruft er mit den Worten des Psalms. Hören wir ihn auch jetzt in diesem Moment hinein rufen? Fühlen wir uns nicht oft von Gott und der Welt verlassen?

Das scheint die Gebetserfahrung vieler unter uns zu sein: Das Gebet hilft nichts, es nützt nichts, es geht ins Leere. Christliche Gruppen, die in manchmal fast magischer Weise mit dem Beten umgehen und behaupten, von Gott alles erreichen zu können, helfen uns nicht weiter. Sie machen uns nur ein schlechtes Gewissen, wenn sie behaupten: Gott hört, aber Gott erhört euch nicht, weil ihr keinen Glauben, weil ihr kein Vertrauen habt. Gott bleibt die Antwort schuldig. Krankheit bleibt Krankheit. Elend bleibt Elend. Tod bleibt Tod. Aber, und das ist für mich das Erstaunliche, Gott ist und bleibt für mich wie ein Freund an der Seite, wie einer, der mich in die Arme nimmt, obwohl er keine Lösung weiß. Also höre ich nicht auf zu beten. Schon allein deswegen, um etwas zu tun, wenn mir sonst nichts mehr zu tun bleibt. Im Gebet nehme ich den Depressiven an der Hand und begleite ihn durchs Dunkel. Ich bete, weil mir nichts anderes zu tun bleibt. Und ich bete, weil das Gebet für mich eine Möglichkeit ist, mich zu öffnen und mir den Rücken frei zu halten.

Vor kurzem habe ich den schönen Satz gelesen: „Jetzt weiß ich, dass die wahre Seite des Gebetes beginnt, wenn wir aufhören zu bitten und anfangen zu lassen…“.  Beten als ein Offenhalten für alles, was kommt, kein Erzwingen-Wollen, keine Überwältigung – einfach Bitten, das zugleich beweist, wie schwach und ohnmächtig ich bin. Und dann geschieht manchmal etwas, das mir das sichere Gefühl schenkt, erhört worden zu sein. Äußerlich ist nichts geschehen. Dennoch wurde ich schon einige Male geradezu überwältigt von der Sicherheit, dass Gott – auf seine Weise – eine Antwort gegeben hat. Dann geht mir auf, was lassen heißt: einen Menschen, eine Not, eine Hoffnung vertrauensvoll Gott in die Hände zu legen; meine Sache schlicht zu seiner Sache zu machen. Dennoch und trotz alledem.

 

Gemeindereferent Carsten Sperling