Tag Archives: Neuanfang

Ein Sprung nach vorne

Ein Sprung nach vorne

2000 Jahre Christentum liegen hinter uns und damit eine leidvolle oder strahlende Kirchengeschichte. Je nach der Brille des Betrachters: hässlich oder bunt, heilig oder voller Irrwege, widerlich oder hoffnungsvoll. Nun leben wir im Jahr 2018. Das Leben der Menschen verändert sich rasant. In meiner Arbeit als Gemeindereferent bewegt mich die Frage: Wie gelingt es uns als Kirche im Pastoralverbund Corvey, die Herausforderungen der Gegenwart zu
bestehen?

In meiner täglichen Arbeit wird mir immer deutlicher: Es geht nicht um kleine Kurskorrekturen oder um eine kontinuierliche Weiterentwicklung eines grundsätzlich funktionierenden Kirchenbetriebs.

Es geht um einen Sprung nach vorne.

Es geht um einen Sprung in eine neue Zeit der Kirche.

Sind wir in unserem pastoralen Raum dazu bereit?

Es wird als Erstes auf manches verzichtet werden können, was sich in unseren kirchlichen Archiven angesammelt hat. Manches muss sogar als verbraucht oder verdorben weggeworfen werden.
Manches längst Vergessene wird auf erstaunliche Weise neu entstehen.

Eines möchte ich vorab betonen: Die oft beklagte Entchristlichung unserer Gesellschaft entspricht keinesfalls der historischen Wirklichkeit. Das viel beschworene christliche Abendland war keinesfalls so christlich, wie es immer beschrieben und behauptet wird. Jedenfalls verschwanden mit dem „Ende des christlichen Abendlandes“ auch viele Anstößigkeiten. Das Festhalten des >>guten Alten<< kann zu einer gefährlichen Versuchung werden. Die Öffnung jedoch hat dem Glauben keinesfalls geschadet. Eher im Gegenteil: Wir fangen wieder an, das Evangelium ernst zu nehmen. Für die jungen Menschen unter uns birgt das die große Chance, nicht länger vorrangig von außen geleitet zu werden. Aus einem aufgedrängten, manchmal sogar aufgezwungenen Glauben kann ein Glaube werden, der frei erworben und entsprechend auch frei verantwortet wird. Oder wie es in einer Untersuchung hoffnungsvoll heißt: „Beobachten lässt sich nicht ein Religionsverfall, sondern ein Wandel in den Ausdrucksformen von Religion.“ Wir sollten diesen Wandel nicht verschlafen oder ihn gar sabotieren. Der deutsche Philosoph Walter Benjamin hat es so gesagt: „Nicht der Fortschritt ist die Katastrophe, sondern dass es so weitergeht.“ Das So-weiter-machen  wie bisher, das ist eine Sünde gegen den Heiligen Geist, der uns zu Neuem antreiben möchte. Den Schwung, den der Wandel in sich trägt, sollten wir ausnutzen. Der Dichter Peter Handke sagt in seinem Roman >>Die Wiederholung<<, dass Wiederholen auch ein >>Sich-wieder-Holen<< bedeuten kann. Revision schaut nach, was in der Vergangenheit war.

Die Vision lässt sich unbeeindruckt von gestern und vorgestern auf das Neue ein, das Gott uns anbietet.

Das Neue ist der Ort, an dem sich Gott finden lässt.

Etwas ungeheuer Befreiendes liegt in dieser Feststellung.

Finden Sie nicht auch?

 Gemeindereferent Carsten Sperling

 

 

„Alles auf Anfang!?“

Auftauen

(Dr.Albrecht Garsky; pfarrbriefservice.de)

„Alles auf Anfang!?“

Im Anblick von Sternen, die im Schnee glitzerten, verspürten wir als Kinder einen unbändigen Drang, der uns nicht mehr im Haus halten konnte. Wir wollten einfach nach Draußen. Auf der freien unberührten Schneefläche hinter dem Haus empfanden wir
eine unbändige Lebensfreude. Ein Gefühl von, alles ist Neu, und das nur für mich, übermannte einen jeden von uns.
„Alles auf Anfang“. Diesen Gedanken durfte ich zum neuen Jahr lesen. Das stimmt, dachte ich unweigerlich und es stimmt doch nicht, musste ich mir augenblicklich und ehrlich eingestehen.Zu viele Erfahrungen lehren uns im Laufe unserer Lebensjahre, dass
das mit dem Neuanfang so eine Sache ist. Hätten wir doch so einen Computerknopf auf dem Reset steht.
Alles noch mal von vorne, alles auf Anfang, noch einmal neu Beginnen. Dieser Wunsch begleitet uns ein Leben lang und gerade zum Neuen Jahr wird er uns auf vielfältige Weise von bekannten und auch weniger bekannten Zeitgenossen zugesprochen.
Sie erlauben mir an dieser Stelle eine persönliche Frage. Hat dieser Wunsch, „Alles auf Anfang“, vielleicht etwas mit unserer inneren Einstellung zum Leben oder gar mit unserem Glauben zu tun?

Die Chance unseres Lebens liegt im Neubeginn, dieses spüren wir ganz deutlich. Und  darum sehnen wir uns immer wieder nach dem Neuen und nach dem was Neu ist. Neue Sachen, neue Gesichter, neue Verantwortlichkeiten; irgendwie bleiben wir mit dem was in der Zeit geschah, geschieht und wahrscheinlich auch im dem was noch geschehen wird, unzufrieden. Liegt hier nicht die menschliche Sehnsucht nach mehr Ewigkeit begründet.
Bei Pater Amseln Grün fand ich eine interessante Antwort, die auch sie interessieren könnte: „Ewigkeit ist der Augenblick, der ganz tief erlebt wird, in dem ich ganz in dem bin, was ich tue, was ich fühle, was ich bin. Sie ist eine Erfahrung, die den ganzen Leib durchdringt, die den Menschen in Leib und Seele vibrieren lässt, die das Innerste
des Menschen erschüttert. Diese Lust hat in sich etwas vom Geschmack der Ewigkeit. Und sie verweist auf den, der allein unsere tiefste Sehnsucht zu erfüllen vermag.
Ewiges Leben ist nicht in erster Linie das Leben nach dem Tod, sondern eine eigene Qualität von Leben. Es ist ein Leben, das jetzt schon das Ewige und Göttliche in sich birgt.
Weil der Tod keine Macht hat über dieses göttliche Leben, wird das ewige Leben den Tod überdauern. Es ist weder der Todesgrenze noch der Zeit unterworfen. Das ewige Leben hat
keine „Dauer“, sondern ist Leben in jedem Augenblick, Leben in Fülle.“
Und von dieser Lebensfülle wünsche ich Ihnen im neuen Jahr
2016 genau so viel, wie ein jeder einzelne von uns zu tragen vermag.

Röttger 01
Ihr Pastor Markus Röttger