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„Schau mir in die Augen!“

Schau mir in die Augen!“

Röttger 01Meine Mutter hatte mir Wichtiges zu sagen. Die Worte, die nun folgen sollten, waren ganz speziell an mich gerichtet und konnten sicher nur vor dem Hintergrund unserer „Mutter-zu-Sohn“-Beziehung gedeutet werden.

Heute bin ich fest davon überzeugt: Die Beziehung, die eine Mutter zu ihrem Kind pflegt, kann in dieser Welt an Menschlichkeit nicht mehr überboten werden. Die mütterliche Meinung vom eigenen Kind drückt nahezu vollkommen aus, was wir sonst durch unser vornehmes Reden von der Würde eines Menschen nur schwerfällig auszudrücken im Stande sind. Die mütterliche Meinung, die eine Mutter von ihrem Kind hat, deckt sich geradezu mit ihrer Meinung von sich selbst. Eine Mutter hat nicht nur eine Meinung von ihrem Kind, sie verkörpert diese Meinung in Person. Solch eine Person darf sich zu Recht Mutter nennen.

 

Alle anderen zwischenmenschlichen Beziehungen hängen immer von einer Meinungsbildung ab. Dabei scheint mir die „Vater-Kind“-Beziehung, wenn sie entsprechend gepflegt wird, von hoher gegenseitiger Achtung geprägt zu sein.

Alle Beziehungen, die wir Menschen eingehen, fordern von uns eine Meinungsbildung zur Person. Wenn der Mensch, mit dem ich es beziehungsmäßig zu tun habe, gleich um die Ecke wohnt, ich mit ihm unter einem Dache wohne, eine Familie bilde, werde ich diese Beziehung entsprechend vorsichtig pflegen und schützen. Doch wie sieht es mit meiner Vorsicht aus, diese Frage sei an dieser Stelle gestattet, wenn es sich um einen Politiker oder um einen Menschen, der am anderen Ende der Welt wohnt, handelt? Werde ich dann im Umgang mit diesem Menschen unvorsichtiger oder gar leichtsinnig?

Dann können wir uns leicht ausmalen, wie wir unsere Meinung über Menschen bilden, die nicht von dieser Welt sind.

Wie gehe ich mit Gottes Sohn um, der offensichtlich vor fast 2000 Jahren so fremdartig aufgetreten ist, dass er allein durch sein Auftreten unterstrichen hat, eben nicht von dieser Welt zu sein? „Schau mir in die Augen!“ Dieser Satz ist und bleibt für mich hochaktuell. Die sich begegnenden Blicke lassen keine Unvorsichtigkeit im Umgang miteinander zu. Dieses „In die Augen schauen“, verleiht dem Gegenüber Würde und Ansehen. Möchte ich im Wortsinn „angesehen“ sein? Dann muss ich mich anschauen lassen. Gerne lasse ich mich anschauen, von denen, die mir Leben schenken und durch freudige und glückliche Momente bereichern. Gerne habe ich mich anschauen lassen von meiner Mutter und von meinem Vater. Gerne lasse ich mich anschauen von Menschen, die es gut mit mir meinen. Gerne lasse ich mich anschauen von Gott, durch die Blicke so vieler Menschen, die meinen Lebensweg kreuzen und bereichern. Denn diese vielen Blicke sagen mir Wichtiges: Du bist mein geliebtes Kind, dir möchte ich Leben in Fülle ermöglichen.

 

Ihnen und mir selbst wünsche ich nun den Mut zu ganz persönlicher und menschlicher Meinungsbildung, die Ansehen zulässt und fördert.

 

Markus Röttger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mach Dich frei von Vorurteilen

Team-SpittmannNach wie vor gibt es in unserer Gesellschaft Menschen die wie Aussätzige behandelt und ausgegrenzt werden. Sympathie und Antipathie, Urteile und Vorurteile erleben wir in unserem Alltag.

Schon zur Zeit Jesu gab es Menschen, die mit Vorurteilen besetzt und aus der aktiven Gesellschaft vertrieben wurden.
Der Evangelist Markus beschreibt eine Begebenheit, wie sie uns aus allen vier Evangelien bekannt ist: ein Mensch, der krank ist, begegnet Jesus und bittet ihn um Heilung. Jesus heilt ihn, weil er Mitleid mit ihm hat. (Mk 1,40-45).
Beim Aussatz handelt es sich um eine besonders schlimme Krankheit. „Aussatz“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen von Hautkrankheiten bis hin zur Lepra. Wer aussätzig war, galt als tot. Zu den körperlichen Leiden kam das Leid der sozialen Isolation, ja des sozialen Todes hinzu.
Bei der Heilung des Aussätzigen wird Jesu ganze Sendung deutlich. Er kann sich der Bitte des Kranken nicht entziehen, weil er mitleidet. Es erschüttert ihn zutiefst. Er kann gar nicht anders, als sich in der Vollmacht des Gottessohnes seines Geschöpfes anzunehmen und heil zu machen, was unheil ist.

Gott will nie das Leid des Menschen. Er will im Gegenteil unser Schicksal des sicheren Todes wenden.
Bei der Heilung dieses einen Aussätzigen wird Gottes Heilswillen für alle Menschen deutlich. So atmet das Evangelium bereits das Osterereignis.

Was wäre also, wenn Jesus heute zu uns käme? Könnte er seinen Einsatz für das Heil aller Menschen noch steigern?

Auch uns kann es ähnlich wie dem Aussätzigen ergehen. Auch wir können sehr schnell an den Rand gedrückt und ausgegrenzt sein.
Auch wir sind in der Rolle desjenigen, der das befreiende Wort, Jesu Zuwendung und sein Mitleiden braucht. Immer können wir zu ihm kommen, ihn aufsuchen und um Hilfe bitten.
In Jesus Christus haben wir ein lebendiges Gegenüber, einen, den unser Schicksal nicht kalt lässt, der mitleidet.
Unsere Bitten werden erhört, auch wenn wir vielleicht eine andere Antwort bekommen, als wir erwartet haben.
Jesus appelliert an uns als die, die ihm nachfolgen, es ihm gleichzumachen: sich einzusetzen für Menschen, die ausgegrenzt, isoliert, einsam oder krank sind, zu kämpfen für die Würde der Menschen, die unter lebensverachtenden Bedingungen ihr Dasein fristen, Sprachrohr zu sein derjenigen, die keine Lobby haben. Das erfordert von uns als Christen Wachheit gegenüber gesellschaftlichen Missständen. Das Wunder kann heute darin bestehen, dass wir betend und helfend füreinander einstehen und uns in unserem gemeinsamen Glauben an Jesus Christus gegenseitig stützen und durchs Leben tragen. –

Dass wir uns frei machen von Vorurteilen, und den Anderen lieben.

Pastor Spittmann